Nun ist es soweit – nach einer relativ kurzen Nacht mache ich mich am 01. Dezember 2014 Punkt 7 Uhr auf den Weg nach Essen. Über zwei Stunden Überhangzeit habe ich eingeplant, da einige Baustellen auf mich warten. Von Meuselwitz über die A4 nach Kassel ist es äußerst entspannt. Auf der A7 wird es dann schon stressiger. Zum Montagmittag so ein Verkehr...oh nein, ich muss die Abfahrt nehmen…tja da war die Abfahrt, die ich natürlich nicht genommen habe, da mich ein Brummifahrer nicht rüber lies. Ok, weiterfahren bis zur nächsten Abfahrt – prima 14km Umweg…ok bei der langen Strecke fällt das nicht schwer ins Gewicht, schließlich sind knapp 487km zu bestreiten.
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Auf der A44 wird der Verkehr zunehmend dichter und kaum
im Ruhrpott angekommen stehen wir….na prima. Aber alles ganz entspannt, ich
habe Zeit. Tja, aber auch diese zwei Stunden schmälern sich, wenn man bereits
beim ersten Stau über 50 Minuten steht.
Die Anspannung steigt in mir je näher ich nach Essen komme
und mit jeden weiteren Stau in den ich gerate. Wäre ich doch nur Zug gefahren,
denke ich – obwohl 175€ mir eindeutig zu viel Geld ist. Außerdem müsste ich
mich da vollends meinen Gedanken hingeben…ne ne, lieber Auto.
Nach unzähligen weiteren kleineren Staus und zähflüssigen Verkehr habe ich nach knapp sechs Stunden endlich Essen erreicht *Tschacka*.
Nach unzähligen weiteren kleineren Staus und zähflüssigen Verkehr habe ich nach knapp sechs Stunden endlich Essen erreicht *Tschacka*.
Mein Ziel war es mit den zwei Überhangstunden etwas in Essen shoppen zu gehen – Primark gibt es da *hihi* und ich liebe diesen Laden :) Am Ende hatte ich weniger als 30 Minuten, denn ich musste ja pünktlich sein, und so lief im Laufschritt durch diesen tollen Laden und schnappte mir eher immer Vorbeiflug alles das was ich so wollte, inklusive Schuhe.
Weiter gings in die Klinik für Gefäßchirurgie, aber dies gestaltete sich dezent schwierig. Das Navi sagt „Biegen Sie in 150m links ab“…ja prima, würde ich gern, ist nur gesperrt *grummel*. Weiter gefahren, gewendet und endlich da hieß es Parkplatz suchen. Ist natürlich so dass es keine gab. Dann wollte ich mich schon für meine Verspätung entschuldigen, aber das Handy ging nicht – na toll, ist ja immer dasselbe…verflucht. Ah, eine freie Parklücke, zack drin steht sie und los geht’s. Ich will ja nichts sagen, aber PUNKT 14:00 Uhr stand ich am Empfang :)
Man verwies mich in den OP-Bereich zu gehen.
Wohin???? 8-O Ich war geschockt, die legen wohl gleich los...Konnte ja keiner ahnen, dass dort auch die Räumlichkeiten sind, wo das Gespräch mit Herrn Dr. Heck gleich stattfindet.
Freundlich wurde ich empfangen und aufgenommen – wo kommen sie denn her, fragte mich die Schwester und ich ganz stolz "Aus dem östlichsten Teil von Thüringen, bei Leipzig". Über diesen weiten Weg staunte man nicht schlecht – ja, aber nur der Weg ist das Ziel ;)
Herr Dr. Heck kam direkt auf mich zu und begrüßte mich und gemeinsam gingen wir in Kabine 6. Als sich die Tür öffnete war ich dezent irritiert – ein kleiner heller Raum. Auf der linken Seite ein weißer Stuhl und ein kleiner Beistelltisch samt Kamera. Rechts zwei weiße Stühle. Für einen kurzen Moment dachte ich einen Termin bei einem Psychologen zu haben, so sieht es doch immer aus, zumindest was man aus den Filmen kennt.
Ich lies mir nichts anmerken und nahm Platz.
Sofort kamen wir ins Gespräch, denn dafür bin ich ja quer durchs Land gefahren. Wie alles Begann, wann und worin ich den Auslöser meiner Krankheit sehe, seit wann ich die Diagnose habe, Schmerzen, Leiden, ja, auch die psychische Belastung war ein Thema. Wie wurde bislang behandelt, was wurde mir gewährt.
Ich ratterte die Informationen nur so runter, wie oft habe ich solche Frage-Antwort-Spiele schon gemacht. Ich muss nicht groß überlegen, sooft habe ich meine „Akte“ aufgezählt.
Dann kommt die Wahrheit – bis auf die Unterwäsche soll
ich mich entkleiden und an die helle Wand stellen. Darum ist es so hell, damit
man nichts verbergen muss. Unangenehm ist es mir nicht, denn schließlich sieht
er tagtäglich solche Frauen, solche Massen. Ich spare mir einen frechen
Kommentar.
Meine Anspannung wird er merken und so darf ich direkt auf die Waage, wo ich nicht schlecht staune, denn in Essen wiege ich tatsächlich 2kg weniger als in Thüringen... Herr Dr. Heck versucht
mich aufzumuntern und konntert neckig "Mit einer guten Waage, macht man sich immer direkt Freunde" und dabei strahlt er so.
Dennoch bleibt er klar und wird deutlich in seinen Aussagen „Sie haben ein richtiges Lehrbuch Lipödem, so klassisch“.
Dieser Satz hallt heute noch in meinem Kopf. Prima denke ich. Schon wieder beste Voraussetzungen um in der Medizin zu arbeiten. So viele Krankheiten sind an mir sooooo klassisch. Warum nicht an der Uniklinik arbeiten und als Model für die angehenden neuen Mediziner bereit stehen!? Ja, der Gedanke kommt mir nicht zum ersten Mal.
Dennoch bleibt er klar und wird deutlich in seinen Aussagen „Sie haben ein richtiges Lehrbuch Lipödem, so klassisch“.
Dieser Satz hallt heute noch in meinem Kopf. Prima denke ich. Schon wieder beste Voraussetzungen um in der Medizin zu arbeiten. So viele Krankheiten sind an mir sooooo klassisch. Warum nicht an der Uniklinik arbeiten und als Model für die angehenden neuen Mediziner bereit stehen!? Ja, der Gedanke kommt mir nicht zum ersten Mal.
Herr Dr. Heck begutachtet Beine, Oberschenkel, Arme. Der größte Druck lastet auf den Unterschenkeln. Ja, mir platzt an den Fußfesseln die Haut auf, trotz intensiver Pflege. Es schmerzt so wahnsinnig, vor allem draußen in der Kälte. Furchtbar.
Der Druck muss weg, da sind wir uns beide einig. Die
Oberschenkel sind in guter Verfassung, die Haut weich und nachgiebig.
„Die Arme sind gut, die Haut, sehen sie das, da kann ich
morgen direkt operieren!“ Mh, denke ich, ist das jetzt gut oder schlecht? Meine
Arme, das wohl schlimmste mit an mir. Ich gestehe ihm, dass ich mir wünschen
würde, dass wir die Arme zuerst machen – auf einem Foto kann ich die Beine weglassen,
aber die Arme…die sieht man immer. Er versteht mein Leiden. Ja, er weiß wovon
ich spreche und ich glaube ihm das.
Er sagt deutlich, dass die OP dringend notwendig ist und wir vier Operationen benötigen, gestaffelt in Unterschenkel, Oberschenkel vorn, Oberschenkel hinten mit Gesäß und Arme. Wow, das ist eine Ansage. Er betont auch, dass mein Mumpelbauch, wie ich ihn liebevoll nenne, aber auch weg muss. Ich habs geahnt. Ich mag ihn ja selbst nicht leiden, aber ich stehe offen dazu auch gern zu essen.
Er lobt meine Ehrlichkeit – naja, was soll ich Lügen?!
Bringt ihm nichts, bringt mir nichts - außerdem steh ich in Unterwäsche da - da ist nichts mit verstecken... Der Ehrgeiz packt mich – bis zur OP kommt
der Bauch überwiegend Weg. 10Kg sind realistisch, wenn die OP nicht direkt
morgen ist :D
Anziehen, setzen und weiter zu hören. Es wird privat, er erzählt von seiner Familie - seine Frau und seine jüngste Tochter sind auch betroffen – er weiß also ganz genau um was es ging. Er ist mir glatt noch um ein größeres sympathischer, was er so schon vorher war. Meine Gedanken kreisen während Dr. Heck erzählt- Man hat die Tochter Glück, die muss sich zwecks der Kosten keine Gedanken machen, Papa macht´s gleich selbst.
Da kommt es 3995€ pro OP + Narkosekosten + Übernachtungskosten + Fahrtkosten (sind ja hin und zurück knapp 1000 km!). Ein Schlag ins Gesicht…
Er sichert mir ein Gutachten für die Krankenkasse zu,
aber betont auch, dass nur 20% das Glück haben, dass die Kosten übernommen
werden. So hoffe ich jetzt schon eine der Glücklichen zu sein. Ich hab so viel
im Leben schon gewonnen – vielleicht auch dieses Mal.
Am liebsten möchte ich direkt einen Termin machen, aber ich soll zunächst nach Hause fahren, eine Nacht drüber schlafen.
Dr. Heck äußert, dass viele mit Festsetzung des ersten Termines eine Art neu aufflammende Willensstärke entwickeln. Und genau so ist es – das Ziel ist näher als je zuvor. Bislang hieß es immer „irgendwann werd ich operiert“ und jetzt „nächstes Jahr werde ich operiert – nicht irgendwann, nächstes Jahr!“
Nach über einer Stunde geh ich wieder, am Auto angekommen, ein letzter Blick, Dr. Heck sieht mich und winkt. Ich fahre mit einem guten entschlossenen Gefühl nach Hause.
984km und 10:51h Fahrzeit – einmal zu Dr. Heck und zurück, einmal ein ehrliches aufklärendes Gespräch. Nichts wurde verschönert, ich aber auch nicht an den Pranger gestellt. Verständnis und Mitgefühl, genauso stark, wie die Bereitschaft etwas zu tun.
Meine Entscheidung steht nach dem Familienrat fest – es
wird operiert!