Dienstag, 30. Juli 2019

Mein Lip- und Lymphödem - 4 Jahre danach

Vor vier Jahren habe ich mich in Essen und Mühlheim an der Ruhr bei Dr. Heck operieren lassen. Viel ist seit dem passiert. Bis heute werde ich nicht vergessen, wie gut es mir nach den Operationen ging, wie schnell die dauerhaften Schmerzen passé waren und wie frei ich mich ein Jahr später in Irland gefühlt habe – frei von all dem jahrelangen Kampf. Zu dem Zeitpunkt war ich der festen Meinung ich müsse mir jahrelang keine Gedanken mehr machen – klar, durch mein manifestiertes Lymphödem bin ich weiter auf MLD und Kompression angewiesen, aber das war mir vorher klar, aber die Schmerzen die ein ständiger Begleiter waren, werden mich verschonen.


Als ich am 03. Oktober 2016 völlig unerwartet einen positiven Schwangerschaftstest in der Hand hielt bekam ich das erste Mal Panik und die Gedanke, was ist wenn…
Die Sorgen um meine Krankheit ließen mich lange zögern die Schwangerschaft überhaupt anzunehmen, war mir ja vorher auch bewusst, dass durch die enorme hormonelle Veränderung alles möglich sei.
Schon im Laufe der Schwangerschaft bemerkte ich vor allem das Lymphödem. Meine Beine schwollen trotz Kompression schon in der frühen Schwangerschaft enorm an und taube Hände waren ab da an bis weit nach der Schwangerschaft ein ständiges Leidthema. Ich weiß noch, dass ich die ersten Wochen die Druckknöpfe von Lottes Bodys einfach nicht schließen konnte.
Durch die bereits beschriebene nicht mögliche konstante Therapie verschlechterte sich mein Umstand. 

Wie einige wissen ist Lotte ein Schreibaby gewesen, wie es im Buche steht. Sie konnte täglich 4 bis 6 Stunden, aber auch mal 8 Stunden schreien und ich war einfach überfordert. Alles haben wir versucht um ihr dieses tägliche Leid erträglicher zu machen oder es gar zu vermeiden.
Die furchtbare Schwangerschaft mit all den Problemen die ich hatte, die traumatischen Umstände nach der Geburt, als ich Lotte so verkabelt auf der Kinderintensivstation erst drei Stunden nach der Geburt sah, aber auch die schweren ersten Monate führten am Ende zu einer für mich schlimmen Schwangerschaftsdepression. Ich versuchte für mich meine positive Einstellung und mein unerschütterliches gutes Gemüt zu behalten, aber ich merkte wie es fast täglich schlimmer wurde. Die Schmerzen in den Armen tat ich immer damit ab, dass ich Lotte stundenlang trug und es sicherlich nur Muskelkater war, aber die Schmerzen blieben, bis heute.

Als ich mich gestern mit einer Freundin nach knapp 3 Jahren wiedersah, fiel uns beiden aneinander direkt auf – nach der Schwangerschaft ist bei uns, trotz OP wieder etwas da. Die Schmerzen, die Berührungsempfindlichkeit. Wir sprachen darüber, ob wir uns nochmal operieren lassen würden und wir beide sind der festen Überzeugung all die Strapazen auf uns zu nehmen.
Ich würde auch nochmal den ganzen Weg der Beantragung gehen, ja auch zur Not wieder bis vors Gericht ziehen und um mein Recht kämpfen.

Es dauert lange das neue alte Schicksal anzunehmen, zu verstehen dass alles möglich ist. Daher kann ich keinen Arzt verstehen, der von „Heilung“ spricht.
Das Lipödem ist unheilbar. Es ist eine durch hormonelle Veränderung auftretende Erkrankung und solange die tatsächliche Ursache nicht behoben werden kann, kann man nicht von Heilung sprechen und muss damit rechnen, dass eine Verschlechterung möglich ist.
Zudem bin ich weiterhin der Meinung, wenn man ein voran geschrittenes Stadium hat, sogar schon Folgeerkrankungen wie sekundäres Lymphödem diagnostiziert bekommt, dann kann man eben nur noch „Schadensbegrenzung“ machen.

Ob ich mit Dr. Heck zufrieden bin?
Na klar. Ich würde mich auch jederzeit wieder bei ihm operieren lassen. Die Operationen sind alle samt gut verlaufen, die Narben kaum sichtbar und es wurde zirkulär gleichermäßig operiert.
Jedoch bin ich der Meinung, dass ich nicht vollständig operiert wurde. Diese Gedanken hatte ich auch im Abschlussgespräch ein Jahr später geäußert und man muss mal ehrlich sein – Frauen die alle unterschiedliche Befunde haben jeweils max. nur viermal zu operieren, da kann man nicht überall „Erfolg“ haben.
Je größer der Befund ist, desto mehr Liposuktionen werden benötigt. Mir ist klar, dass man pro Liposuktion nur ein gewisses Maß an krankhaftem Fettgewebe entfernen kann, auch wenn bei den Damen die später operiert wurden schon weitaus mehr Liter entfernt werden konnten, weil die Erfahrungen zeigten das pro Liposuktion mehr möglich ist. Aber selbst wenn man pro Liposuktion nicht so viel auf einmal absaugen kann und wenn der Befund einfach größer ist, dann muss man eben mehr Liposuktionen ansetzen und nicht pauschal mit 3-4 Liposuktionen die Sache als erledigt sehen.

Schon im Abschlussgespräch teilte ich mit, dass ich im Bereich der Oberschenkelvorderseite weiterhin Probleme habe. Man verwies mich darauf, dass die Heilung weiter voran schreiten muss, aber genau hier habe ich auch wieder die meisten Probleme. Bei längeren Strecken oder ab einer gewissen Treppenstufenanzahl ist er wieder da – der Schmerz. Ich beiße mir dann auf die Lippe und kämpfe mich weiter, versuche ihn zu ignorieren, aber nach all der Zeit kann man es nicht ohne weiteres von sich schieben, zumal ich sehr gut differenzieren kann ob es Muskelkater ist oder der typische Lipödemschmerz.

Sicherlich werden jetzt viele denken – da lohnt es sich ja gar nicht sich  operieren zu lassen und was hat es denn für einen Sinn wenn es wieder kommt.

Aber so wie jeder selbst für sich entscheiden muss, ob er sich überhaupt operieren will, so muss jeder selbst mit sich ausmachen und sich klar werden was das Ziel einer solchen Liposuktion sein soll.
Schon in Essen habe ich damals zur Dr. Heck gesagt, dass mir klar ist, dass ich nicht als schlankes Reh aus dem OP gesprungen komme, bei dem Ausgangsbefund. Mein Ziel war es schmerzfrei zu sein, meine Lebensqualität zurück zu bekommen und dieses Ziel habe ich erreicht.

Ich mag mir nicht ausmalen, wie ich heute ohne die Liposuktion leben würde. Ich wäre sicherlich auf eine Gehhilfe angewiesen, könnte vielleicht auch nicht mehr meiner Arbeit nach gehen, zumindest nicht Vollzeit und könnte wohl auch nicht so mit meiner Tochter toben, die Natur erkunden, spielen und Spaß haben, wie ich es eben heute mache.

Ja, der Schmerz ist zurück, aber meinen Kampfgeist habe ich nicht verloren. Als Mutter habe ich vielleicht nach all dem noch mehr Kampfgeist und Willen Herr meines Lipödems zu werden – nicht nur für mich, sondern auch für meine Tochter.
Leider liest man nun von vielen immer wieder Verschlechterungen des Lipödems nach einer gewissen Zeit – mal früher, mal später. Wir Frauen haben unsere hormonellen Probleme, die auch aufgrund verschiedensten Ursachen sich verändern können, sei es durch die Schwangerschaft oder die Wechseljahre, sei es durch hormonelle Verhütung die man beginnt oder gar absetzt, weil der Kinderwunsch da ist.

Ich glaube man wollte es bislang nur nicht groß thematisieren, zum einen, weil man es selbst nicht wahrhaben will und zum anderen weil man all die Hoffnung auch der anderen Betroffenen nicht zerstören möchte. Aber ich bin der Meinung man muss darüber sprechen, da es auch nochmal deutlich macht wie unerforscht die Krankheit ist.

Die liebe Caroline von Lipödem Mode hat passend dazu auch einen Beitrag veröffentlicht – ihr findet ihn hier.