Donnerstag, 5. Mai 2016

Die Gerichtsverhandlung

Am letzten Freitag war es dann endlich soweit, die langersehnte Gerichtsverhandlung gegen meine Krankenkasse fand statt.
Fragt nicht, wie es mir an den Tagen zuvor ging. Ich konnte vor Aufregung kaum noch schlafen und war unendlich aufgeregt.
Bei dem letzten Telefonat mit meiner Anwältin zögerte ich daher nicht lange und bat ihr an sie vom Flughafen in Leipzig/Halle abzuholen, auch wenn das für mich mit sehr frühen Aufstehen verbunden war (mal abgesehen davon dass ich eh kaum schlief, eigentlich eher unproblematisch).

"Der kann nur gut ausgehen bei diesem schönen Sonnenaufgang. Zumindest versuche ich es mir so ein zu reden. Sitze gerade am Flughafen und warte auf meine Anwältin.
Dann fahren wir gemeinsam zum Sozialgericht. Oh man. Mir ist so schlecht vor Aufregung." (Post in unserer Community)

So wartete ich kurz vor 8 Uhr in der Ankunftshalle und mir fiel hörbar ein Stein vom Herzen als Frau Klett auf mich zu kam und mir ein herzliches Lächeln entgegen strahlte. Auf der gesamten Heimfahrt zu meinen Eltern unterhielten wir uns wunderbar, vor allem über mich, der Entstehung der Krankheit, die Schmerzen und rund um die Operationen. Frau Klett war sehr persönlich daran interessiert und wir verstanden uns prima.
Bei meinen Eltern tranken wir noch gemeinsam eine Tasse Kaffee und Tee, bevor wir zur Entspannung noch eine Runde mit dem Hund gingen. Die Verhandlung war erst gegen 11:30 Uhr angesetzt und so hatten wir genügend Zeit. Zeit, um seine Gedanken zu sammeln und die Vorgehensweise zu besprechen.

Meine Nervosität stieg leider bis ins unermessliche, vor allem als es dann endlich Richtung Altenburg zum Sozialgericht ging.
Dort angekommen mussten wir warten, warten, warten. Ich sag euch, für mich fühlte es sich wie Stunden an und mir war schlecht, richtig schlecht.
Etwas verspätet aufgrund noch anderer laufender Verhandlungen nahmen wir dann in dem kleinen Gerichtssaal im obersten Stock platz.
Das Gericht bestand aus einer Richterin und zwei Schöffen, uns gegenüber saß die Vertretung der Krankenkasse, meine Anwältin und ich, sowie meine Mutti im Zuschauerbereich.

Kurz vor 12 Uhr begann dann endlich die Verhandlung und die Richterin trug meine Akte vor und zwar ab der Diagnose im Jahr 2011 bis heute. Meine Aufregung war unbeschreiblich, meine Hände eiskalt und ich kämpfte mit der Übelkeit vor Aufregung. Immer wieder nickte ich zusagend ab oder ergänzte, wenn etwas unklar erschien. Danach  positionierte sich die Richterin, bevor uns die Gegelegenheit gegeben wurde uns zu äußern.
Kurz um: meine Anwältin brachte alle Argumente vor die für unsere Klage (Erstattung der Leistung) sprachen und die Krankenkasse all jene, die dagegen sprachen.
Auf die Frage, wie ich zu Dr. Heck nach Essen/Mühlheim gekommen bin antwortete ich ausführlich und umfangreich auch in Zusammenhang mit meinem Engagement im Bereich der Aufklärung der Krankheit und des Lipödem Hilfe Deutschland e.V.
Die Richterin betonte im Laufe des Verfahrens immer wieder, dass sie nicht unserer Auffassung sei, die Krankenkasse wies den Fristverzug dahin gehend ab, da der § 13 Abs. 3 a nur für Kassenleistung und § 137 nur bei einem stationären Eingriff greifen würde. Beides ist bei mir nicht der Fall...wir sahen das aber anders.
Bevor sich das Gericht zur Beratung zurück zog ergriff ich nochmal das Wort. Leider kamen mir bereits nach den ersten Worten die Tränen und so konnte ich nur schlurzend von meinem Werdegang berichten und meine Ansicht zu all dem äußern.

Ich sprach von meinem ungebrochenen Willen die Krankheit zu bekämpfen, davon, dass ich auch nach langen Arbeitsstagen noch 1,5h bei der Physio zur Behandlung war, dass ich alle konservative Therapie ausgeschöpft habe und mir einfach keine andere Möglichkeit blieb als mich letztes Jahr operieren zu lassen. Unter Tränen wandte ich mich an die Krankenkasse und musste ihnen vorwerfen, mir nie die Möglichkeit gegeben zu haben, dass ich mich nur in einem Vertragskrankenhaus hätte operieren lassen können, sondern mir oft anhören musste einfach mehr Sport machen zu müssen.
Am Ende habe ich hemmungslos geweint, denn es geht hier nicht um den Kauf einer Bohrmaschine, sondern um mein Leben, was einfach kaum noch Lebensqualität hatte, weil die Schmerzen und die Einschränkungen zu groß waren.
Ich hörte meine Mutti ebenso weinen und es brach mir das Herz, dass mir gerade jetzt wieder die Tränen kommen.

Das Gericht zog sich nun zur Beratung zurück und ich konnte mich bei meine Anwältin für meinen Gefühlsausbruch nur entschuldigen. Es tat mir so leid, doch sie lobte mich, dass ich das gut gemacht habe.
Meine Mutti kam zu uns und meinte direkt, dass wir die Verhandlung verlieren werden und dies bestätigte auch meine Anwältin. Die Richterin betonte einfach zu oft, dass sie nicht unserer Auffassung war.

Während das Gericht beriet sind wir in einen, wie ich fand, sehr guten Dialog mit der Krankenkasse gekommen. Ich zeigte Bilder vor und nach meiner Operation und bat an mich doch mal einzuladen, damit ich innerhalb der Krankenkasse mal aufklären kann. Zu unserem Lipödemtag in Markkleeberg habe ich ebenso eingeladen und ihr einen Flyer unserer Hilfevereins gegeben.
Ich verstehe die Frau auch, sie vertritt nur die Interessen der Krankenkasse, auch wenn sie aus menschlicher Sicht uns versteht. Sie wird die Anregungen mitnehmen, zumindest äußerte sie das.

Fast eine dreiviertel Stunde beriet das Gericht. Die Zeit war so unendlich lang.
Als das Gericht das Urteil verkündete, konnte ich nur nach unten schauen. "Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil..." den genauen Wortlaut habe ich leider nicht innehalten können, aber als die Richterin äußerte dass die Klage der Krankenkasse abgewiesen wird und sie 90% der Kosten erstatten muss konnte ich nur los weinen. Mir liefen die Tränen in strömen runter und ich spürte, dass meine Anwältin mich in den Arm nahm.
Das Blatt hat sich für mich gewendet, obwohl es so hoffnungslos aussah. Meine Emotionen überkamen mich und ich kann das Gefühl einfach nicht beschreiben.

Ich weiß nicht was ausschlaggebend für diese Wendung war, vielleicht mein emotionales Schlusswort wo hörbar alle schlucken mussten oder mein Engagement in allen Bereichen. Die Richterin war nicht auf unserer Seite, aber die Schöffen konnten wir anscheinend überzeugen uns Recht zu geben.

ABER! Und das darf man nun nicht vergessen und unterschätzen - die Krankenkasse hat die Möglichkeit Revision einzulegen, d.h. das Urteil abzulehnen und in die nächste Inztanz zu gehen. Wir haben zwar hier und heut gewonnen, aber ob es das endgültige Ergebnis ist, wissen wir erst, wenn das Urteil Rechtskraft hat.
Meine Anwältin ist sich sicher, dass die Krankenkasse Revision einlegen wird und wir uns vor dem Landessozialgericht wieder sehen werden :(

Als die Verhandlung zu Ende war verabschiedeten wir uns freundlich von allen, kamen auch nochmal mit der Krankenkasse in ein nettes Gespräch. Ich reichte der Frau einen Flyer und betonte nochmal meine Bereitschaft auch bei der Krankenkasse aufzuklären. Sie selbst kann leider nicht entscheiden, wie es weiter gehen wird, aber nimmt meine Anregungen zumindest mit.
Als der ältere Herr, der als Schöffe im Gericht saß, an mir vorbei ging, legte er mir die Hand auf die Schulter und meinte, dass er mir alles Gute wünschte. Diese Geste wird mir unvergessen bleiben und wenn ich heute darüber berichte, bekomm ich Gänsehaut.
Wir alle waren unendlich erleichtert, froh und guter Dinge, meine Anwältin und ich machten noch ein "Siegerfoto" vor dem Sozialgericht, denn nun wollte auch sie endlich auf meinem Blog.


Liebe Frau Klett,
vielen Dank, dass Sie mir in all der Zeit so gut zur Seite gestanden haben, für Ihre unglaublich gute Arbeit, Ihre sympathische, freundliche, herzerwärmende Art und nicht zu vergessen für die Taschentücher, die während der Verhandlung meine Tränen trockneten. Selbst wenn wir in die nächste Instanz gehen müssen, weiß ich Sie guten Mutes an meiner Seite.

Ich kann euch, solltet ihr einen Rechtsstreit mit der Krankenkasse bezogen auf die Kostenübernahme haben, nur Frau Klett und ihre Kanzlei empfehlen, auch wenn sie ihren Sitz in Herne weiter weg haben. Ich habe Frau Klett auch erst jetzt bei der Gerichtsverhandlung persönlich kennen gelernt. Über ein Jahr pflegten wir nur schriftlich via Mails und Telefon den Kontakt und besprachen so alle Details.
Mir war von Anfang an wichtig, jemanden an meiner Seite zu wissen, der Ahnung von der Thematik hat und auch schon Gerichtsverfahren geführt hatte in diesem Bereich.

Alles in allem war es ein sehr emotionaler Tag. Die Verhandlung ging knapp 2,5 Stunden, womit wir alle nicht gerechnet haben, ebenso wenig über das Ergebnis.
Noch einige Stunden danach kamen mir Tränen, weil ich von meinen Emotionen so überwältigt war. Meine Sprachnachrichten an meine engsten Freunde waren alle samt verheult. Ob mich überhaupt irgendwo jemand richtig verstand... :D ich weiß es nicht.
Es hat auch jetzt mehrere Tage gebraucht um runter zu fahren, alles sacken zu lassen. Zu aufwühlend und kräftezehrrend waren die letzten Tage. Ich danke an dieser Stelle euch allen fürs Daumen drücken, so viele liebevolle Nachrichten haben mich erreicht. Wir sind eine tolle Community :)

Kämpfen lohnt sich immer und wir werden, sollte es in die nächste Instanz gehen, auch hier weiter um unser Recht kämpfen. Wir werden nicht aufgeben, dafür war der Weg schon zu lang.